Eine Rede zum 1. Mai, die auch thematisiert, wie das bestehende Geld- und Finanzsystem auf unser aller Leben wirkt, müsste konsequenterweise lauten:
Meine Damen und Herren!
Wir müssen mehr arbeiten, denn mehr Güter und Dienstleistungen sind weitere Sicherheiten für neue Kredite. Diese neuen Kredite generieren mehr Geld, weil wir mehr Geld zum Leben und zur Zinszahlung brauchen. Durch diese neuen Kredite erhöht sich aber weiter die Zinslast. Die höhere Zinsbelastung vergrößert die Rezessionsgefahr und aus der Rezession entstehen Pleitewellen mit Arbeitslosigkeit. Hier aber setzt unser rettendes Zukunftsprogramm an: Wir müssen dann einfach noch mehr arbeiten, denn noch mehr Güter und Dienstleistungen sind noch mehr Sicherheiten für noch mehr Kredite. Diese neuen Kredite generieren noch mehr Geld, weil wir noch mehr Geld zum Leben und für die noch höheren Zinszahlungen brauchen. Die Arbeitsleistung, die wir letztes Jahr erbracht haben, wird unter Berücksichtigung des Zinseszinssystems für dieses Jahr zu wenig sein, wenn wir unseren Lebensstandard erhalten wollen. Jeder sollte zum weiteren Wachstum beitragen, auch dort, wo es schwierig ist, z.B. im Gesundheitssektor oder in der Landwirtschaft. Wenn wir jetzt in die Zukunft blicken, womit reagieren wir dann auf die noch höhere Rezessionsgefahr durch die noch höhere Zinsbelastung? Mit der erneuten Anwendung unseres genialen Zukunftsprogramms, dem alternativlosen Erfolgsweg in eine glorreiche Zukunft!
Das und nichts anderes verbirgt sich tatsächlich hinter den schönen Worten, die an jedem 1. Mai zu hören sind, wobei zur Verteidigung der meisten Redner gesagt werden muss, dass ihnen und auch fast der gesamten Bevölkerung die belegten, mathematisch zwingenden Auswirkungen des bestehenden verzinsten Schuldgeldsystems aus "Erziehungsgründen" unbekannt geblieben sind. Man glaubt, mit Wachstum der (geld-)systemimmanent drohenden Insolvenzgefahr entkommen zu können. Bei unendlichem Wachstum wäre dies möglich, aber diese Art des Wachstums ist in einer endlichen Welt nun einmal nicht möglich. Soll der Sinn des Lebens tatsächlich darin bestehen, auf der letzten Endes vergeblichen "Flucht" vor der Insolvenz den Reichtum für eine extrem kleine Minderheit exponentiell zu vergrößern?
Das derzeit praktizierte Schweigen ist aber auch eine der wenigen verbleibenden Möglichkeiten, um das bestehende System zu erhalten bzw. zu verteidigen, denn eine offene und ehrliche Diskussion würde es wohl nicht überstehen. Wesentlich in der Mindestlohndiskussion ist der Vorschlag, anstatt der bereits allseits bekannten Bankenrettung eine Bürgerrettung zur Diskussion zu stellen (Stichwort "Helikoptergeld"). In der Gesamtbetrachtung ist eine Bürgerrettung sogar auch eine Bankenrettung - allerdings eine sozial gerechtere. Oder darf darüber nicht diskutiert werden, weil hierbei offensichtlich werden würde, dass es gar nicht um Geld, sondern um Macht über die Bürger geht?
Wenn schon die Politik und ihre Experten die Diskussion verweigern, so können wir, die Zivilgesellschaft, dennoch diese wichtigen Themen in unserem Freundes- und Bekanntenkreis immer wieder ansprechen und uns Gedanken über zukunftsfähige Lösungen machen. Denn eines ist sicher: Weiter wie bisher bedeutet eine ständige Verschlimmerung der Situation!
Entnommen aus: Botschaft zum 1. Mai
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